der Bericht eines
Hauskaters
Was ist das heute doch für ein Tag gewesen! Man hätte
meinen können ein Hurrikan sei durch das Haus gefegt und habe hier sein Unwesen
getrieben. Mir steckt die Aufregung noch immer in meinen Knochen! Nun gut, es
ist Weihnachten, und ich habe schon alles Mögliche gesehen und erlebt, doch
heuer war es doch noch einen „Zahn schärfer“ gewesen. Ich erzähle Euch die ganze
Geschichte sogleich, doch zuerst möchte ich mich vorstellen:
Ich bin „Mauz“ der Kater; schon 18 Jahre habe ich auf dem
Buckel, was in Katzenjahren kaum mehr zu rechnen ist, denn längst sind meine
Jahrgänger von mir gegangen und ich bin sozusagen als Dinosaurier übrig
geblieben. Ich kam in das Haus der Familie König, als ich noch ein niedliches kleines
Kätzchen war, mit allem was dazugehörte. Ich wurde verhätschelt und verwöhnt
und von den Kindern ständig herumgetragen und geknutscht. Das hat mir wohl
gefallen und ich konnte mich ganz und gar nicht beklagen. Mit dem Alter hat
sich solches dann allmählich aufgehört und ich liege heute lieber unter dem
Ofen und habe meine Ruhe. Ruhe! Genau das ist das Stichwort, denn eine solche
genieße ich nur allzu gerne. Man lässt mich auch – außer einmal im Jahr: dann
geht es rund, dann kann ans Schlafen nicht mehr gedacht werden und sämtliche
Naturgewalten scheinen alle gleichzeitig auf mich einzustürzen. Diese
furchtbare Zeit nennen die Menschen „Weihnachten“.
Ich zucke jedes Mal schon im Herbst zusammen, wenn ich
dieses Wort aus den Mündern meiner Familie höre, meist zuerst aus jenen der
Kinder. Dann wird bald gebastelt und gebacken, die Tage werden kürzer, überall
im Haus und vor allem um das Haus herum werden aberhunderte Lichter angebracht
und die Auswahl an Liedern im Radio wird immer geringer und reduziert sich
gegen den Dezember hin nur mehr auf eine Handvoll sogenannter
„Weichnachtsklassiker“. Mir könnte das ja alles gestohlen bleiben, aber was
soll’s! Das ist ja alles noch nicht das Schlimmste. Es ist dies nur das immer
intensiver werdende Vorspiel auf das Ereignis, das am Abend des 24. Dezember
seinen Zenit erreicht: Der Heiligabend mit samt der Bescherung. Und genau hier
beginnt meine eigentliche Geschichte.
Heute war es also wieder so weit. Am Morgen schon wurde ein
buschiger grüner Geselle aus dem Gartenschuppen hereingeholt und in einen
Ständer gleich neben dem Fernseher gesteckt, wo er auch sogleich begann seinen
Gestank in meiner Bude zu verbreiten. Man verzeihe mir den Ausdruck aber „Bude“
ist für mich die gute Stube in der ich den größten Teil meines Lebens als
Hauskater verbringe. Und Tannenbäume konnte ich eben noch nie leiden. Alle
liefen wie wild durcheinander, große Schachteln mit allerhand goldenem und
silbernem Plunder wurden aus dem Keller heraufgekarrt - Glitzerzeug bedeckte
bald das Kanapee, so dass ich dort nicht mehr mein Schläfchen machen konnte und
auf ein hartes Bänkchen ausweichen musste. Die Kinder schrieen und tobten und
kriegten sich in die Haare weil sie sich nicht auf die Musik, die sie während
des Christbaumschmückens anhören wollten, einigen konnten. „Klirr!“ eine
gläserne Kugel zerbarst auf dem Boden – die Mutter geriet in Zorn und verbannte
die Kinder gleich aus der Stube in ihre Zimmer – zumindest so lange bis sie
sich beruhigt hätten.
Von Ruhe im Raum konnte natürlich keine Rede sein, alle
fünf Minuten klingelte jemand an der Türe und wollte irgendetwas von der Frau:
Sammeln für die armen Kinderlein, die Nachbarin, die noch etwas brauchte um
Kekse zu backen, die Pfadfinder, die das „Friedenslicht“ aus Bethlehem brachten
oder der schon angesoffene Cousin, der seine Weihnachtsgrüße übermitteln wollte
– und dabei freilich noch eine „Stärkung“ mit auf den Weg bekam.
Dem Vater der Königs war das Treiben an Heiligabend schon
immer zuwider gewesen – aber immerhin konnte er sich in seine Werkstatt im
Keller zurückziehen, um erst wieder zum Mittagessen und dann wieder kurz vor
der Bescherung aufzutauchen. Wie ich ihn doch jedes Jahr um dieses Privileg
beneide!
Husch-husch wurde dann das Mittagessen eingenommen –
Kalbsbratwürste mit Sauerkraut – das war Tradition. Auf mich hätte man dabei
fast vergessen. Hätte ich nicht mein Mäulchen bis zum Anschlag aufgerissen und
mein Wehklage mit Inbrunst geäußert, hätte ich noch nicht einmal etwas zu
fressen bekommen. Wer nun denkt am Nachmittag wäre es ruhiger geworden, der
irrt. Schon gegen zwei kam Tante Herta und ließ sich gleich mit Christstollen,
Keksen und Eierlikör voll stopfen und abfüllen. Sie komme nur um Hallo zu
sagen, denn am Abend müsse sie bei ihren Enkeln sein. Um drei musste die Gans
gefüllt und in den Ofen geschoben werden, damit sie auch ja rechtzeitig fertig
werden würde.
Die Kinder waren ganz fickrig und als es draußen dunkler
wurde, wurde es damit leider immer schlimmer. Also musste der Vater her. Man
hole ihn dazu aus seinem Keller, weg von der Bastelarbeit, mit der er eifrig
beschäftigt gewesen war: die Fratzen sollten abgelenkt werden bis zur
Bescherung, so dass es in die Stadt ging, dort sollte ein Kindertheater zur
Aufführung gebracht werden. Na das wird etwas gewesen sein! ein Saal voller
Schreihälse, die alle mächtig aufgebracht waren, weil sie es nicht erwarten
konnten dass das „Christkind“ kommen würde. Dazwischen ein paar hilflose
Erwachsene, die ihr Bestes gaben.
Es wurde Abend, Oma und Opa König erschienen, fein
herausgeputzt, als ob es ins Konzert der Wiener Philharmoniker ginge. Dann
wurde gegessen, was das Zeug hielt und noch mehr getrunken. Die Gans war etwas
zäh aber mit all dem Wein konnte sie locker die Kehlen hinuntergespült werden.
Die Kinder wollten ohnehin nichts essen und stierten schon die ganze Zeit auf
den Weihnachtsbaum, dessen Äste sich unter dem schweren Behang mächtig bogen.
Die Krippe war auch schon da – mit einer Maria ohne linken Arm und einem
Jesukindlein, das fast die Größe des Heiligen Josefs hatte aber trotzdem noch
in der Wiege liegen musste.
Als der Vogel verspeist war und das Dessert aufgetragen
wurde, hätte es beinahe ein Malheur gegeben: Der staubtrockene, stark nadelnde
Adventkranz mit seinen heruntergebrannten Kerzen, wurde durch eine
Unachtsamkeit so unglücklich angestoßen, dass eine der Kerzen umkippte und das
Reisig sofort lichterloh brannte. Eine Stichflamme züngelte hoch und konnte nur
durch das beherzte Eingreifen von Opa König erstickt werden. Noch einmal war
die Sache gut gegangen, doch der Schrecken stand allen noch ins Gesicht
geschrieben.
Nichtsdestotrotz mussten der Abend und die Show
weitergehen. Nachdem der Tisch und der Boden notdürftig aufgewischt worden
waren, versammelten sich alle um den Baum. Die Kinder wurden entfernt und ins
Badzimmer gesperrt, wo sie ausharren mussten, bis das Christkind seine Gaben
gebracht hatte. Dann kam er, der große Moment: Es klingelte das Glöcklein, der
Baum war erhellt von den elektrischen Lichtern (Gott sein Dank waren es keine
Kerzen), die Kinder stürmten herein und wollten sich sogleich auf den Berg an
Geschenken unter dem Baum stürzen.
„Zuerst wird noch gesungen!“ tönte es streng vom Vater, was
von der Jugend mit Augenrollen quittiert wurde. Missmutig wurden die „Süßen
Glocken“, der „Tannenbaum“ und „Maria im Dornwald“ besungen. Das ganze endete
mit einem schnulzigen „Stille Nacht“. Dann ging die Schlacht los: Das Papier
flog herum, die neuen Sachen wurden in Augenschein genommen und sofort zur
Anwendung gebracht, was freilich erneut eine Menge Lärm verursachte, wobei
sogar eine Vase zu Bruch ging. Endlich wurde die Familie müde, stopfte noch ein
paar Kekse in den längst übervollen Bauch hinein, trank noch einmal Eierlikör
und schweren roten Wein und schlummerte dann allmählich vor dem Fernseher ein. Alle,
bis auf die Kinder, die konnte heute gar nichts ins Bett bringen. Erst als es
schon nach Mitternacht war, Oma und Opa schon in den Federn lagen, wurden auch
die Kleinen zu Bett gebracht. Dann wurde es still, nur die Weihnachtsbeleuchtung
schien noch auf mich und mein Plätzchen neben den Ofen.
Wieder hatte man vergessen den Kater zu füttern. Doch ich
hab’s ihnen gezeigt! Trotz meines Hungers harrte ich tapfer aus, bis die ganze
Familie schlief, dann begann ich mein Konzert: Ich plärrte so laut im Gang vor
den Schlafzimmern herum, dass bald das Licht anging und man ein Fluchen hörte.
Frau König kam schlaftrunken aus dem Zimmer getaumelt und füllte meinen Napf
mit Katzenpastete. Welch ein Wunder, auch ich wurde nicht vergessen – gab es doch
tatsächlich etwas Feines für mich und nicht den üblichen Trockenfutterfraß, den
man mir für gewöhnlich kredenzt. Trotzdem: Noch so ein Weihnachten überleb ich
nicht, da wandere ich vorher nach China aus!
Allen meinen Lesern Frohe
Weihnachten!
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