Samstag, 15. Mai 2010

Gedichte II

Bestehen in der Zeit

„Für die Rechtschaffenheit gäb’ ich mein Leben hin!“,
Sprach mancher, der hatte sehr Edles im Sinn.
„Den Schwachen muss man schützen, dem Unrecht gebe man nicht nach!“,
Das hörte ich selbst, wie empört ein anderer solches sprach.

Doch, die Worte sind sehr leicht gesprochen,
Leicht werden sie im Ernstfall gebrochen.
Was leicht über die Lippe kommt, das wenig zählt,
Doch lauten Applaus der Welt, man leicht so erhält.

Wer gäbe schon tödlich bedroht das Leben auf?
Hält die Tugend aufrecht im stürmisch’ Lebenslauf?
Nur selten ist ein Geist zu finden,
Der das höchste Ideal kann binden.

Gut und Böse sind dem Empfinden unabdingbar zueigen,
Solches mag sogar der Verworfenste noch manches Mal zeigen.
Denn, kommt es auch über den Inhalt zu Streitigkeit,
Im Prinzip selbst herrscht doch allmenschliche Einigkeit.

Wer hier Bedeutung hat, wahrhaft groß auf Erden ist,
Den mag die Zeit selbst erwählen, man ihn nicht vergisst.
Der Prophet zählt ja nichts im eig’nen Lande,
Den schlug man oft und zerriss sein Gewande.

Der wahrhaft Große bleibt bestehen vor der Zeit,
Der, der sich der Tugendhaftigkeit hat geweiht.
So war’s seit Sokrates und so ist’s auch heute.
Sag, was werden über dich sprechen die Leute?


Der Götze Natur

Gar mancher liebt die rote Rose,
Erbaulich ist’s den frischen grünen Wald zu sehen.
Auch steht vor mir in schönster Pose,
Des Mai’s duftender Fliederstrauch im Winde wehen’.

So ist einer sehr leicht geneigt zu glauben,
Die Natur selbst sei von Geisterkraft reichlich durchflutet.
Vermessen ist das sich herauszuklauben,
Denn nur der, der alles schafft, tat’s während ihr gut ruhtet.


Der Mensch und das Schicksal

Der reiche Ökonom rühmt sich selbst zum Besten,
Die junge Mutter frohlockt Hei!,
Die Politik freut guten Wahlausgang,
War sehr erfolgreich doch der Stimmenfang.
Und sicher sagt man stolz dabei:
„Ich allein tat dies und füllte meine Kästen!“

Doch fällt die Börse, gehen die Geschäfte schlecht,
Verliert da einer Gesundheit, Gut und Ruhm,
So ist das Urteil anders, als bei jenem.
Zur Einsicht mag sich einer nicht bequemen.
Man sieht’s wo anders und spricht entschieden nun:
„Ich Armer, sieh! Das Schicksal tut mir gar nicht Recht!“


Scharlatane

Einstmals traf man sie auf Bretterbühnen,
Auf dem Jahrmarkt und ebenso zur Kirchweih.
Quakend trat der Salber lauthals auf,
Dass einer die Wundermittel kauf’.
Von weitem vernahm man das Schnattergeschrei,
Dessen, der sich dreist konnte erkühnen.

Da dachte man: `Das gehört in unaugeklärte Zeiten!´
Weit gefehlt! Auch heute will man uns noch die Augen weiten.
Der Wissenschaft dankt man nicht ihr Gutes, das sie tat,
Magie und Voodoo säen immer noch ihre Saat.
Wie sehr man es auch beklagt, wie man sieht verschwinden sie nie,
Die Quacksalberei, Kurpfuscherei und Scharlatanerie!


Narrentum

Die Fabel* hat’s gar gut beschrieben,
Der Narr, der es zu wild getrieben,
Warf Steine einem Weisen nach.
Dieser gab ihm noch Geld und sprach:
„Wirf’s dem Reichen nach, der gibt dir noch viel mehr!“
Der Narr tat’s und lag bald in Ketten, die schwer.

Heute sperrt man ihn nicht mehr ein, den Narr’,
Selbst, wenn er darstellt gar große Gefahr.
Gestreichelt wird er noch und schwer verzärtelt auch.
Gar unfair scheint er, der alte bewährte Brauch.
Dass der andre muss darunter leiden,
Solches könne man wohl nicht vermeiden.

* „Ein Narr und ein Weiser“ von Jean de La Fontaine


Die Krittler

`Im Anfang war das Wort´,
So steht’s geschrieben dort,
Wo heute liest kaum einer nach.
Klug nur im Fleisch man Manches sprach.

Viel besser wäre es da einmal zu ruh’n,
Dem eitlen Vergnügen Fesseln antun.
Unbefangen und mit reichlich Demut,
Tut sich auf so manches kostbare Gut.


Internet

Viel zählt heute die Information,
Wer könnte darauf verzichten schon?
Doch der Menge haben wir im Überfluss,
Allein die Auswahl bereitet meist Verdruss.

Das Netz, das ist groß, schwer ist’s Gutes darin zu finden,
Allzu viel Zeit des Menschen, mag es inzwischen binden.
Drum sagte ein wahrer Kenner auch, ganz schön und frei,
Ein Misthaufen mit wenigen Perlen drin, es sei.


Relativ und absolut

Lang galt nur das Absolut für wahr,
Das schien bereits dem Grunde nach ganz klar.
Dann trat auf die stolze Relativität,
Und forderte, da sie vormals ward verschmäht.

Sie ward auf den Thron gesetzt, man huldigte ihr,
Selbst Raum und Zeit nahm sie sich zur königlich’ Zier.
Der Triumph schien unausweichlich,
Ihr Anhang wuchs überreichlich.

Doch, wie es kommt im Sturme der Geschichte,
Als Bezüglichkeit wurd’ zum Ungerichte,
Als sie gleichgesetzt mit Beliebigkeit,
Da dämmerte es langsam der Menschheit.

Und siehe da, wie aus verwachsenem Grabe stieg herauf,
Das Unwandelbare, gestützt auf des alten Stockes Knauf.
Doch fegt man weg den Staub von Tausend Jahren,
Strahlt es prachtvoller, als das Gold des Zaren.


Die Mitte

Fern aller Schmeichelei und Ruhmessucht,
Ohn’ Fasten und exzessiver Selbstzucht,
Findet man zwischen Sinneslust und Askese doch,
Das rechte Maß, das befreit allein von jedem Joch.


Sorten von Menschen

Drei Sorten von Leuten da sind auf der Welt,
Man sieht es, sofern man die Augen aufhält.
Da gibt’s den einen, der immer fleißig schafft,
Und so bei Klugheit auch eine Menge rafft.

Der zweite, verlegt sich ganz auf das Denken,
Für ihn muss sich alles auf den Geist lenken.
Endlich gibt es noch die letzte Art, ganz schlicht,
Die lebt dahin und rührt keinen Finger nicht.

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