Freitag, 30. September 2011

Der Goldmacher vom Hinterwald

Zwischen den Bregzenzerwälder Gemeinden Au und Schnepfau erhebt sich einer der markantesten Berge Vorarlbergs – es ist die über 2000 Meter hohe wuchtige Kanisfluh, die den Hinteren vom Mittleren Bregenzerwald trennt und seit jeher auch ein Berg war, der die Fantasie der Menschen angeregt hat. Es begab sich nun vor vielen Jahrhunderten, dass ein „Goldmacher“ auf der Flucht in das abgelegene, damals noch schwer zugängliche Tal kam. Es heißt er sei aus Venedig gewesen, habe dort dem Dogen und dem hohen Rat Versprechungen gemacht, er könne den Niedergang der Stadt aufhalten und ihr zu neuem Reichtum verhelfen. Mit der Entdeckung Amerikas und dem Verlust der Levante, war Venedig nämlich allmählich seiner herausragenden Stellung verlustig geworden, auch der Reichtum war nicht mehr jener der alten Tage, und die aufwendig lebenden Bewohner der Lagunenstadt sehnten sich nach leicht verdientem Geld. Dieser „Goldmacher“ versprach nun für solches zu sorgen. Er ließ sich auf Kosten der Stadt eine ganze Zeit lang auf das Aufwändigste aushalten, doch als er seinen Worten Taten folgen lassen sollte, war es damit nicht weit her und er konnte gerade noch sein nacktes Leben retten, als der wilde Pöbel und an seiner Spitz die Stadtwache versuchten ihn in Bande zu legen und in die gefürchteten „Bleikammern“ zu sperren.
Dieser weit gereiste seltsam aussehende Mann, kam nun mit einem Gespann von vier Rappen und einer Equipage im Hinterwald an. Es versteht sich von selbst, dass er bald das Gespräch der einfachen und weniger einfachen Leute des Tales wurde. Die einen hielten ihn für den Leibhaftigen persönlich, andere konnten sich ob seines farbenfrohen Aussehens und seiner extravaganten Kleider vor Lachen nicht mehr halten. Am Dorfplatz zu Schoppernau gab nun dieser seltsame Mann eine „Zaubervorstellung“, er spielte seine Taschenspielertricks aus und bald glaubten die meisten, es handle sich um einen großen Magier, einen berühmten Mann aus der Ferne. Kaum einer glaubte, dass es sich dabei nur um Geschicklichkeit und gute Menschenkenntnis handeln konnte. Keinen Hehl machte er auch daraus, dass es ihm ein Leichtes sei, jedes beliebige unedle Metall in pures Gold zu verwandeln. Nachdem der Mann im besten Wirtshaus des Orts abgestiegen war und allerlei Gerüchte über seine magischen Fähigkeiten in Umlauf gebracht hatte, traf ein kaiserlicher Bote aus Bezau ein, der die Nachricht brachte ein Scharlatan habe sich in den Hinterwald begeben und werde nun von höchster Stelle gesucht. Es war eine hohe Belohnung auf den Gesuchten ausgesetzt. Die Bauern des Ortes drangen nun wütend mit Mistgabeln und Sensen bewaffnet zum Wirtshaus vor und verlangten, dass der „Goldmacher“ sich zeigte. Dieser war zuerst erschrocken, trat dann aber im ersten Stock auf den Balkon seines Zimmers und versuchte die Leute zu beruhigen. Diese waren jedoch mehr al außer sich vor Wut und verlangten, dass ihnen eine Kostprobe des „Goldmachens“ gegeben werde, sonst würden sie den „Welschen“ sogleich an die strenge Obrigkeit ausliefern. Der Scharlatan wusste nun freilich weder ein noch aus, bisher war er immer schneller als seine Verfolger gewesen und hatte die Stätte seines jeweiligen Wirkens immer noch rechtzeitig zu verlassen vermocht. Und gerade hier in dieser abgelegenen Gegend sollte man ihm nun sein Handwerk legen?! Die Bauern drangen nun in wildem Geschrei in des Mannes Stube ein und zwangen ihn mit ihnen zum Vorsteher zu kommen. Dort wurde er sogleich in den feuchten Gemeindekarzer gesperrt. Er hätte nun drei Tage Zeit, um den kleinen Raum mit Gold zu füllen, sonst würde er der strengen Justiz übergeben, hieß man ihn. Man gab ihm genügend Alteisen in seine Zelle, damit er die „Verwandlung“ vornehmen könne, wenn er denn dazu in der Lage sei.
Der erste Tag ging vorüber und dem Goldmacher wollte nichts einfallen. Des Nachts konnte er nicht schlafen, sinnierte wie wild mit sich selbst herum, doch es war zum Verrückt werden, er fand keine Lösung für seine Misere. Am zweiten Tag begann er zu beten, vielleicht würde sich der Himmel seiner erbarmen. Doch vergeblich – der Himmel wollte heute nicht auf ihn hören. In letzter Anstrengung rief er dann doch den Widersacher Gottes, den Teufel, an, ob er ihm denn nicht helfen möge. Und siehe da, kaum war er dreimal gerufen, erschien der Fürst der Hölle in schwarzem Frack, Spitzbärtchen und obligatorischem infernalen Grinsen. „Ihr habt mich gerufen?“, begann er ganz harmlos. „Ihr wisst, um was ich euch bitte“, kam die Antwort des Verzweifelten. „Gewiss, so ihr mir eure Seelen nach eurem irdischen Ableben geben wollt, so sollt ihr nun die Fähigkeit besitzen Unedles in Edles zu verwandeln“. Trotz seiner Schlechtigkeit hatte der Mann anfangs Skrupel so seine Seele für die Ewigkeit zu verkaufen, denn auch er hatte einst eine Unterweisung in der christlichen Religion erhalten, wenn sie auch schon lange in Vergessenheit geraten war. „Nun gut“, sagte er nun, „so soll es denn sein!“. Der Packt wurde schriftlich gemacht und mit Blut unterfertigt, wie es sich für einen ordentlichen Höllenbund gehört. In einer Rauchwolke verschwand der Teufel und als nun der Mann, der sich wieder gesammelt hatte, denn er war ordentlich erschrocken über die Erscheinung und wusste nicht Recht, ob er gewacht oder geträumt hatte, nahm er eine alte gusseiserne Pfanne, sprach die vom Teufel übermittelte Formel und siehe da, in purem Gold glänzte das gute Stück. Sogleich wurden alle ehernen Gegenstände der Gefängniszelle in Gold verwandelt und den erstaunten Leuten des Dorfes übergeben. Nun war der Goldmacher der Held der Gegend! Die Menschen kamen von überall her, um ihn zu sehen und sich von ihm das eine oder andere Stück vergolden zu lassen.
So vergingen die Jahre, der Goldmacher lebte in Saus und Braus und genoss gewaltiges Ansehen, wenn er auch den meisten nicht geheuer war, so wurde er doch nicht gemieden, sondern von jedem freundlich gegrüßt und oftmals eingeladen. Als der Mann alt geworden war, sein Körper nicht mehr so wollte, wie in seiner Jugend, spürte er die kalte Hand des Todes auf seiner Schulter. Erschrocken wachte er in dieser Nacht noch rechtzeitig auf, begab sich in Windeseile zum Herrn Pfarrer, der nicht schlecht schaute, diesen „Welschen“ vor seinem Haus zu finden und das mitten in der Nacht! Der Pfarrer hatte das Volk immer vor dem Goldmacher gewarnt, wenn auch vergeblich, es ginge nicht mit rechten Dingen zu und des Himmels Segen läge nicht auf diesem. Kreidebleich bat der Goldmacher um die Beichte. Der Gottesmann hörte sich nun die ganze Lebensgeschichte und kam so hinter das Geheimnis des fremden Mannes. Nun, er erteilte ihm die Absolution, meinte aber dies reiche nicht, der Bund mit dem Satan sei gültig. Es gäbe jedoch eine Möglichkeit, dass er die Ewigkeit zwar nicht im Himmel, so doch auch nicht in der Hölle verbringen müsse. Begierig ließ sich der Goldmacher von Hochwürden unterweisen, dass wenn er viele Messen lesen ließe, das Goldmachen ließe, alles, was er besaß den Armen geben würde und dazu seinen Kopf vor dem Schlafengehen mit Weihwasser wüsche, dann könne er der Gnade teilhaftig werden als Geist die Ewigkeit zu verbringen, oben auf der Kanisfluh, wo man im Wald die Geister hin zu bannen pflegte, wie im Walgau in den Lünersee.
Dies alles tat nun der Goldmacher, er wurde der beste Christenmensch, den man sich nur vorstellen konnte, besuchte eifrig die Messe, gab alles den Armen und wusch sich den Kopf des Abends mit Weihwasser. Als nun in einer dunklen Nacht bei Blitz und Donner der Gevatter Tod an sein Bett kam, um sein irdisches Dasein zu beenden, hauchte der Goldmacher seinen Geist aus. Sogleich wollten zwei Gehilfen des Satans diesen mit sich in die Unterwelt nehmen, doch zwei Englein bewachten ihn und geleiteten ihn sicher auf die hohe Kahnisfluh, wo es ohnehin schon wild um diese Zeit zuging, da allerlei Geistervolk, seit Urzeiten auf diese gebannt, bereits ihren Spuk dort trieben.
Noch lange gingen im ganzen Hinterwald Anekdoten des „Goldmachers aus Venedig“ um, der nun als Geist auf der Kanisfluh sein Dasein fristet, bis er vielleicht doch noch eines Tages seine Erlösung findet.

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