Zur Zeit, als die Römer noch im Lande Vorarlberg waren und
durch das Rheintal eine der großen Verbindungstraßen von Nord nach Süd führte,
war der mitten im großen Tal liegende Kummenberg noch zweimal so groß als wie
heute. Auch war seine Form damals noch eine andere. Während er heute auf der
Südseite stetig ansteigt und dann auf der Nordseite in einer steilen Felsenwand
abrupt abstürzt, als ob er „abgesägt“ worden wäre, war es einstmals noch so,
dass er eine gleichmäßige Erhebung bildete, die von allen Seiten genau gleich
abgerundet dalag. Doch dann veränderte sich alles. Und das kam so.
In den Zeiten der Völkerwanderung, als viel Volk in ganz
Europa unterwegs war und den ganzen Kontinent umgestaltete, machte sich ein
Barbarenstamm aus dem Norden auf dem schönen Kummenberg sesshaft. Die
einheimische Bevölkerung war damals von diesen Wilden arg geplagt worden und
flehte zum Himmel, der Allmächtige möchte sich ihrer doch erbarmen und die Plage
von ihnen nehmen. Schon oft war es vorgekommen, dass ein frommer Gottesmann
sich aufgemacht hatte das wilde Volk auf dem Berg zu bitten ihr schändliches
Treiben zu unterlassen; doch waren all diese Anstrengungen ohne Erfolg
geblieben. Diese Heiden machten sich dann einen Riesenspaß aus den frommen
Christen, zogen ihnen die Kleider aus und schickten sie völlig nackt unter
wüsten Beschimpfungen und derben Scherzen zu den ihrigen hinunter in die Ebene.
An eine Bekehrung zum christlichen Glauben war natürlich nicht einmal zu
denken.
Nachdem die „Kummenberger“ wieder einmal einen wüsten
Raubzug durch die Umgebung unternommen hatten und neben den Vorräten und Wertgegenständen
aller Art auch die Hälfte der Frauen geraubt hatten, war die Not der braven
Rheintaler gar zu groß geworden. Es war am Karfreitag gewesen und die Christen
fasteten und gedachten ihres Heilands. Da waren die Barbaren gekommen, hatten alles
an sich gerissen, was nicht niet- und nagelfest war, hatten Kreuze zerbrochen,
Kirchen und Kapellen entweiht und darüber hinaus allerhand Schändliches mit den
Bewohnern getrieben. Gar um dem Übel die Krone aufzusetzen, zwangen sie die
Bauern an diesem Hochfest der Christenheit Fleisch zu essen. Wer sich weigerte
wurde kurzerhand einen Kopf kürzer gemacht. Als nun der Abend hereinbrach und
die Rheintaler Bevölkerung voller Tränen und Schmerzensschreie war, feierte der
wilde Haufen auf dem Kummenberg seine verderbten Orgien in einem eigens dazu
errichteten Heidentempel. Feuer wurden gemacht und überhaupt sollen sie es auf
das Übelste getrieben haben. Da zogen von der Schweizer Seite her schwefelgelbe
und schwarze Wolken auf, feurige Blitze zuckten und fuhren in wildem Gezische
auf die Erde nieder. Als das Gewitter den Kummenberg erreicht hatte, ging das
titanische Schauspiel erst richtig los. Ein Blitz, so gewaltig, wie es Menschen
zu keiner Zeit noch gesehen hatten, sauste hernieder und spaltete den
Kummenberg mitten entzwei. Die nördliche Hälfte, auf der sich der Heidentempel
und alle wilden Barbaren befanden, versank mit wildem Getöse im Erdboden, der
sich auftat, um die Sünderbrut aufzunehmen und nie wieder herzugeben. Mit Haut
und Haaren sind die Heiden allesamt in die Hölle hinab gefahren. So schnell,
als das Gewitter aufgezogen war, verschwand es auch wieder und machte einer
klaren und recht lauen Nacht Platz. Am nächsten Morgen sahen die Bewohner des
Tales, dass der Kummenberg nur noch halb so groß war, wie am Abend zuvor. Und
seither ziert eine steile Felswand die Mäder und Altach zugewandte Seite des
Berges.