Montag, 17. Januar 2011

Bayer und Preuß

„Das eine sage ich euch: Zu meiner Zeit hätte es so etwas nicht gegeben. Da hätte man mit der ganzen Bagage anderes verfahren. Das kann ich euch sagen!“. Der alte Mann mit dem spitzen grauen Schnauzbart nahm einen kräftigen Schluck aus einem Steinkrug, der mit dunklen bayrischen Bier gefüllt war. Sein gegenüber nickte zustimmend und meinte, dass derlei heutzutage anderes gehandhabt würde und die Leute keine „Schneid“ mehr hätten. „Ja, ja, zu meiner Zeit waren die Kerls aus Stahl und die Rollstühle aus Holz, heutzutage ist es genau umgekehrt“, warf der glatzköpfige Adlerwirt ein, der seit einem Unfall vor drei Jahren an den Rollstuhl gefesselt war. „Aber die Madln san immer no hübsch“, entgegnete ein kleiner verschmitz dreinblickende Bauer, der ganz in der Ecke saß.
Wir befinden uns in einer urigen Wirtschaft auf dem Lande, wo die Uhren noch etwas langsamer gehen, die Menschen noch jeden Sonntag geschlossen in die Heilige Messe besuchen und wo nach Ansicht der braven Bewohner die „Welt noch in Ordnung“ ist. Denn in der Stadt drinnen, da habe die Unmoral Einzug gehalten und das nicht erst seit gestern. Mehr als einer der anwesenden Herrn konnte dies bestätigen und sogleich folgte meist eine Anekdote, die allen vor Augen führen sollte, wie recht es doch damals zu Großvaters, Gott hab ihn selig, Zeiten, zugegangen sei und wie heute Sitte und Moral zu unbekannten Begriffen geworden seien. Grad aus den großen Städten, da käme die Unmoral über das Land geschwappt, wie eine Epidemie, die sich rasend schnell ausbreite. Früher wäre München ja noch bayrisch gewesen, aber heute sei es, wie einstmals Preußen gewesen sei, geworden. Kurz, einfach nicht zum aushalten! Drum vermied es der anständige Bauer auch sich in das Sündenbabel zu begeben, wenn es denn nicht unbedingt sein musste, um etwa auf ein Amt zu gehen, um notwendige Geschäfte zu erledigen, oder gar auf einer Messe für landwirtschaftliche Güter sich anzuschauen, was es denn so für neue technische Errungenschaften gab. Und natürlich das Oktoberfest, darüber ließ niemand etwas kommen. Außer über die gesalzenen Preise, wenn die Maß schon zehn Euro und mehr kosten würde, darüber ließ sich leidlich klagen. Aber hingehen musste man trotzdem und heim führte man dann einen ordentlichen Rausch, wie es sich eben für einen ordentlichen Wiesnbesuch gehörte.
„Was sogst du dazu, Braudauer? Sog a amol wos!“. Der Brandauer war ein stiller alter Bauer mit einem struppigen Bart und einer langen Pfeife. Alles an ihm war alt und die Falten zeugten von vielen Jahren der harten Arbeit und der Lebenserfahrung Doch die Augen funkelten immer noch in ihrem hellen Blau und erzählten dem Gegenüber eine Geschichte, auch wenn der Bauer gar nicht sprach. Brandauer also nahm die Pfeife aus dem Munde und blickte in die gespannt wartende Runde. Er ließ sich Zeit, denn davon schien er mehr als genug zu haben. Dann umspielte ein Schmunzeln seine Lippen. „Ha, wos wissts denn ihr von friehr? Ihr seid alle zam no junge Hupfer. Es kennts gor nix wissen von de alten Zeit und wia des alles wor.“
„Na drum frog ma jo di!“, sagte der Adlerwirt, der schon leicht zu schwitzen begann, da er sich vorhin so erregt hatte. Alle starrten auf den alten Bauer, die nun begann zu erzählen.

(Die Geschichte, wird hier im Hochdeutschen wiedergegeben. Nicht, weil ich meinen Lesern nicht zutraue den bayrischen Dialekt zu verstehen. Nein, sondern, weil der Dialekt nicht über Rechtschreibregeln verfügt und es recht beschwerlich ist ihn zu lesen, da man in der Regeln ihn nur hört und nicht liest. Zumal man auch keine Übung darin hätte.)

„Alsdann, die Geschichte hat sich so zugetragen. Es war im Winter `28 oder `29. Ich weiß es nicht mehr ganz genau. Da hat mein Großvater einen Wagen gekauft, es war der erste im ganzen Ort und das wollte was heißen. Den Führerschein hatte er im Sommer gemacht, aber Übung auf Eis und Schnee hatte er natürlich noch keine und so kann man sich vorstellen, was für ein Himmelfahrtskommando es jedes Mal war, wenn er in den Nachbarort oder gar in die Stadt hinein fuhr. Die Leute sprangen immer davon, wenn sie ihn kommen sahen, denn er brauchte die ganze Straße für sich alleine. Zum Glück war damals noch nicht so viel Verkehr auf den Straßen wie heute und so schaffte er es, wahrscheinlich nicht zuletzt aufgrund der vielen Gebete, die meine Großmutter zum Himmel schickte, ein Leben lang unfallfrei zu fahren. Ihm selbst machte sein Fahrstil allerdings gar nichts aus. Auch wenn er „wie eine gesengte Sau“, wie es aller Orten hieß, durch die Gegend sauste, hatte er die größte Gaudi dabei. Dazu müsst ihr wissen, dass mein Großvater ein wilder Kerl war, der hatte vor gar nichts Angst. Im 70/71er-Krieg hatte er sich freiwillig gemeldet und der Franzos sei schon davon gelaufen, wenn er ihn nur gesehen hätte. Aber mehr noch, mein Großvater war sehr freigiebig und obwohl er mehr Geld ausgegeben hat als der ganze Ort zusammen, hatte er oder die Familie nie Mangel gelitten. Immer war genug da, ja mehr noch, wir hatte oft als einzige im ganzen Dort Überfluss und das in den schwersten Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg.
Jetzt war das aber einmal so, dass sich ein Preuße zu uns verirrt hatte. Es war im Herbst gewesen und wie es die Herrn, vor allem wenn sie Geld haben, und zu Hause eine gut gehende Firma ihnen gehört, dann eben glauben, dass sie erfolgreich wären in allen Belangen des Lebens, so wollte er unbedingt etwas Besonderes erleben. Der Preuß also ist beim Herrn Baron, der einige Kilometer weiter auf dem Schloss wohnte, eingeladen gewesen. Zur Jagd wollten sie gehen, die edlen Herrn. Mein Großvater hatte ja selbst die Jagd und nachdem der Herr Baron ja bereits wusste, was der Preuße für ein miserabler Schütze war, er hatte ihn selbst einmal droben in Berlin besucht, bat er Großvater, ob er nicht dafür sorgen könnte, dass dem Berliner ein kapitaler Hirsch vor die Büchse lief. Ja, und so sollte es gemacht werden. Die lokalen Jäger nahmen einen ausgestopften Zwölfender aus dem Dorfmuseum, stellten ihn auf eine kleines Wägelchen und zogen dieses in einigen hundert Meter Entfernung an dem Schießstand des Preußen vorbei, wo dieser mit seinem Gewehr auf Beute wartete. Der Baron war selbst bei ihm. Der Wagen wurde durch ein Seil von einem Burschen, der sich in einem Gebüsch versteckt hatte, gezogen. Es war wirklich gut gemacht, man hatte ja auch die passende Stelle ausgesucht, und als der Preuße anlegte und feuerte, fiel der Hirsch genau im richtigen Moment um und der Schütze war zufrieden. Später präsentierte man ihm einen anderen Hirschen, den ein Jäger am gleichen Tag im Nachbarort geschossen hatte. Um viel Geld musste man ihn ihm abkaufen. Der Mann hatte dabei ein gutes Geschäft gemacht. Jedenfalls war der Preuße sehr zufrieden und zeigte sich überaus spendabel. Das ganze Dorf profitierte davon und der Herr Baron danke meinem Großvater persönlich.
Dann aber ging etwas schief. Die Feierlichkeiten wurden recht lustig und das Bier floss in Strömen. So kam es, dass ein berauschter Geselle sich nicht mehr halten konnte und dem Preußen, mit dem er bereits fast per du geworden war, unter scherzhaftem Lachen mitteilte, dass er ein lausiger Schütze sei und nie und nimmer einen Zwölfender geschossen habe. Die ganze Geschichte flog auf. Und noch in derselben Nacht reiste der Gast aus dem Norden wutentbrannt nach Berlin ab.
Es verging einige Zeit und zwei Wochen vor Weihnachten kam beim Herrn Baron ein Brief des Preußen an, der immer noch nicht seine Gemütsruhe wieder gefunden hatte. Doch wollte er seine Ehre wieder herstellen. Er forderte darin den besten Automobilfahrer der Gegend auf, sich mit ihm zu messen und verschärften Bedingungen. Er wollte eine „Silvesterrennen“ abhalten und auf den eisigen Straßen und über die Hügel unserer schönen bayrischen Heimat. Eine Bayern müsse man in Bayern schlagen meine er und forderte umgehend Antwort. Der Baron trug dies alles der versammelten Gemeinde vor. Nachdem niemand außer meinem Großvater und dem Baron einen Wagen besaß, wurde die Wahl sehr eng. Der Baron hatte einen Chauffeur und fuhr nicht selbst. Es wäre auch unter seiner Würde gewesen, sich selbst der Herausforderung zu stellen, einerseits aufgrund seiner sozialen Stellung auf der anderen Seite aber auch, aufgrund seines fortgeschrittenen Alters. Es blieb nur Großvater, der ja auch nicht mehr der jüngste war, übrig, dem die ganze Sache allerdings mehr als Recht kam, denn einem Preußen eins auszuwischen, das hatte ihm immer schon Freude bereitet. Und es bedurfte keines Pokals, um ihn dazu zu bewegen mitzumachen.
Es war also ausgemacht und drei Wochen später, als der letzte Tag des Jahres angebrochen war, stellte sich der Preuße örtlich ein. Er trug eine moderne Lederjacke mit Handschuhen und einer getönten Brille, wie sie die Rennfahrer trugen. Der ganze Ort lachte, als die skurrile Erscheinung aus der „Post“ heraus kam, in der er Quartier genommen hatte. Nichtsdestotrotz bewahrte er seine Würde und bestieg sein Automobil. Es war ein nagelneuer Mercedes mit dunkelblauer Farbe und vergoldeten Metallteilen. Der Wagen sah überaus nobel aus und ein eigener Aufpasser musste dafür sorgen, dass keiner das Goldstück berührte, denn das konnte der Preuße gar nicht aushalten. Dann fuhr mein Großvater vor. Er hatte einen knallroten Horch, der aus dem Auspuff furchtbar rauchte und einen Höllenlärm machte. Aber schnell war der Wagen, das konnten alle bestätigen und niemand hatte Zweifel daran, dass er das Rennen gewinnen würde. Der Preuße wusste nicht auf was er sich eingelassen hatte. Wie es sich gehörte erschien mein Großvater in bayrischer Tracht, bis auf den Hut, den hätte es ihm bei der Fahrt vom Kopfe geweht, deshalb trug er eine braune Lederkappe.
Der Baron wurde zum Schiedsrichter erkoren und ermahnte die Kontrahenten zur Fairness. Dann schüttelten sich die beiden Fahrer die Hände und bestiegen ihre Boliden. Eine hübsche Maid gab das Startzeichen und sogleich düste der Preuße davon und gewann einen Vorsprung von ein paar Wagenlängen. Mein Großvater jedoch setzte ihm nach, die Stärke seines Wagens lag nicht in der Beschleunigung vom Start an, sondern in den Kurven, die er etwas enger nehmen konnte als der Mercedes des Preußen. Als die beiden aus dem Ort hinaus kamen und an der großen Ulme in Richtung Dillendorf abbogen, hatte Großvater schon aufgeholt. Dann sah man vom Kirchplatz aus, auf dem sich die gesamte Dorfbevölkerung versammelt hatte, nichts mehr. Dazu muss gesagt werden, dass das Rennen bereits überregionale Bekanntheit erlangt hatte. Ganz Südostbayern war auf den Beinen und auch in der „Münchner Zeitung“ gab es eine Ankündigung des Automobilwettstreits. In den Nachbardörfern hatten sich ebenso alle Bewohner versammelt und schauten gebannt auf die daher kommenden Wagen.
In Dillendorf lag Großvater vorne und blau-weiße Fahnen wurden von der Bevölkerung zum Empfang geschwungen. Als Sekunden später auch der Preuße an der Kirche und dem Rathaus vorbei rauschte, gab es Pfiffe und Buhrufe, die der Fahrer aber aufgrund des enormen Tempos und des ohrenbetäubenden Lärms nicht gehört haben dürfte. Es war ein bitterkalter, aber sehr schöner sonniger Tag. Die Straßen waren mit einer Eisschicht bedeckt, über die sich der lockere Pulverschnee, der in der Nacht gefallen war, gelegt hatte.
Dann kam Ansbach auf der Strecke, ein lang gezogenes Dorf, dessen Häuser alle entlang der einzigen Straße durch den Ort standen. Die Menschen drängten sich so dicht am Straßenrand, dass keine zwei Wagen mehr aneinander vorbei kommen konnten. Nun führte der Preuße wieder, doch gleich darauf kam auch mein Großvater, dessen Wagen an diesem Tag besser lief, als jemals zuvor. Die Einwohner bemerkten anerkennend, dass er nun nicht mehr in Schlangenlinien, sondern pfeilgerade und zielbewusst unterwegs war. Vielleicht lernte er nun endlich ordentlich Autofahren, meinte mancher schmunzelnd. Alle waren sehr stolz darauf, dass einer aus der Gegend ein derart mutiger Kerl war, der auch noch etwas drauf hatte.
Nun ging es Richtung Süden und das Gelände wurde hügeliger. Die Straßen wurden kurvenreicher und leichter Wind von der Seite setzte ein. An manchen Stellen hatte er den leichten Pulverschnee der Oberfläche weggefegt, so dass das blanke Eis zum Vorschein kam. Und dann geschah es. Der Wagen des Preußen, der in Führung lag, rutschte in der Kurve aus, kam ins Schleudern, überschlug sich und blieb im Schnee stecken, glücklicherweise aber gerade zwischen zwei Bäumen. Böse hätte die Sache ausgehen können, hätte der Wagen auch nur ein paar Meter früher oder später das Schleudern begonnen. Jedenfalls war dem Fahrer nichts passiert. Er stieg aus seinem Auto, welches zufälligerweise wieder auf den Rädern zum Stehen gekommen war, fluchte auf fremdländisch, für bayrische Ohren jedenfalls, blickte sich um, sah in einiger Entfernung einen Mann, der auf einem Feldweg mit einem Pferd und Wagen daher kam. Zuerst wollte der gute Bayer dem Mann ja gar nicht helfen. Doch dann entsann er sich, denn man wollte ja der Fairness genüge tun und einem Preußen nicht die Genugtuung geben, ein Bayer hätte das Rennen nur deshalb gewonnen, weil die einheimische Bevölkerung so ungastlich gewesen wäre. Im selben Moment brauste mein Großvater vorbei, wobei er seinem Kontrahenten freundlich zuwinkte.
Kurz darauf lag des Preußen Wagen auch wieder sicher auf der Straße und er nahm mit doppeltem Enthusiasmus die Verfolgung auf. Seine Augen glühten, der Kampfgeist war vollends neu entfacht. Der Motor heulte auf und der Bolide stob davon. Der Bauer, der ihm aus dem Schneefeld geholfen hatte, schüttelte nur den Kopf und sah der weißen Wolke nach, die durch den Mercedes aufgeworfen wurde. Großvater lag weit in Führung, doch auch sein Wagen drehte sich in einer Kurve, wurde jedoch von einem hohen Schneehaufen daran gehindert ins Feld zu fallen. Nichtsdestotrotz kostete ihn der Zwischenfall einiges an Zeit, und zu allem Übel wollte der Wagen nicht mehr anspringen. Schon sah er den Gegner im Rückspiegel daherkommen, als der Wagen mithilfe von zwei jungen Männern, die mit aller Kraft anschoben, doch noch ansprang. Doch es war zu spät, der Preuße übernahm wieder die Führung. Schon kamen die letzten Kilometer ins Sichtfeld. Am Horizont war schon unsere Gemeinde mit dem Kirchturm zu sehen, wo sich nicht nur der Start, sondern auch das Ziel befand. Nun galt es alles aus dem Wagen und aus dem Fahrer heraus zu holen. Großvater klebte bald wieder an der Stoßstange seines Kontrahenten. Er setzte zum Überholen an, doch der Preuß, der in seinem Rückspiegel alles sah und immer wieder ein hämisches Lachen nach hinten warf, ließ ihn nicht überholen. Da rammte Großvater den Berliner und schubste ihn derart, dass dieser sich nicht mehr wohl fühlen konnte.
Daraufhin kam schon der Hof des „Riegler-Bauern“, der das erste Haus am Ortseingang war hatte, in den Blick. Großvater schaffte es mit letzter Motorkraft doch noch am Preußen vorbei zu gelangen und auf den letzten zweihundert Metern zog er diesem endgültig davon. Mit zwei Längen Vorsprung durchfuhr er das Ziel und wurde von einer begeisterten Menge umringt und gefeiert. Bayern hatte gesiegt. Der Preuße stieg verbittert aus dem Wagen. Doch er wollte sich so gut es ging seinen Gram nicht anmerken lassen und gratulierte mit zusammengepressten Lippen seinem Gegner. Ein Kranz wurde dem Sieger um den Hals gehängt, der Pokal überreicht und eine Champagner-Flasche geköpft. Der Baron lud alle zum „Adler“ ein, wo der ganz Ort freudig den ganzen Tag, bis weit in die Nacht hinein feierte. Und nachdem Silvester war, hatte man noch einen weiteren Grund ausgelassen zu sein und das Bier und den Wein in Strömen fließen zu lassen. Selbst den Preußen ließ man nicht im Regen stehen und bald schon war die Gegnerschaft vergessen. Eine Entschuldigung für die Jagd im Herbst wurde angenommen und gegen Mitternacht sogar Brüderschaft getrunken.“
Der alte Brandauer setzte seine Pfeife wieder ab, nahm einen großen Schluck aus seiner Maß und sah in die staunenden Gesichter seiner Zuhörer. „So etwas gibt es heute gar nicht mehr. Auch kann sich keiner mehr an dieses berühmte Rennen erinnern, in dem Bayern Preußen besiegt hat.“ Keiner konnte ihm widersprechen und alle schwiegen, ob der Geschichte, die sie gerade gehört hatten.

Mittwoch, 29. Dezember 2010

Silvester

Es sitzt Herr Lenz oft gut und gern
Im tiefen Sessel und sieht fern.
Die Füße auf dem Schemel oben,
Lässt er sich die lieb’ Heimat loben.
Sieht sich an, wie es zugeht in der Welt,
Wer sich mit wem hat zusammengesellt.
Was die Politik zu Haus und in der Ferne
Beschließt als ob sie wär’ von anderem Sterne.

Das Jahr liegt nun in den letzten Zügen,
Will sich an vergangene anfügen.
Schon bricht der allerletzte Tag heran,
Und ein jeder will zeigen, was er kann.
Denn wenn es geht um viel laut’ Gekrache,
Böllerschüsse oder Raktensache,
Dann gibt es keine bess’re Zeit,
Als wenn Silvester steht bereit.

Der Eisschrank ist schon voll gepackt,
Mit Speien auch im Tiefkühlsack.
Mehr noch als nach Nahrungsschränken,
Steht der Sinn nach den Getränken.
Welche oft sehr süß und doch mit Feuer,
Entfesseln der Geister Ungeheuer.
Man stößt gern an und sagt `Zum Wohl“,
Mit hochprozent’gem Alkohol.

Warum ich mit Herrn Lenz begann,
Und nun zum Allgemeinen kam?
Die Frage ist gar wohl gestellt
Und wird auch gar nicht weggestellt.
Bei den Lenzens im guten Haus,
Schläft man Silvester nämlich aus,
Lässt den Zauber vorübergehen,
Will kein buntes Feuerwerk sehn.

Kein Glückwunsch dringt an jenen Ort,
Und schon gar nicht geht einer fort.
Kein Blei wird hier gegossen,
All’s bleibt fest abgeschlossen.
Es flucht der sture Hausherr nur,
Über die Nachbarn, die gar stur.
Und über die ganze dumme Welt,
Die an diesem Tag nichts zurück hält.

Neune hat es schon längst geschlagen
Und Lenz liegt in des Bettes Lagen.
Augenmaske und Ohropacks angelegt,
Hofft er, dass ihn heute gar nichts mehr erregt.
Zählt die Schäflein, ein, zwei, drei,
Schon ist es halb zehn vorbei.
So genießt er seine liebe Ruh,
Die Frau Lenz schläft ebenso im nu.

Nun dennoch ist es aber leider so,
Dass nicht jeder ihm gönnt, dass Lenz so froh.
Des Nachbars Junior, der Fritz,
Den nahm Lenz jüngst mal in den Schwitz.
Als sein Garten wurde verwüstet,
Vom Pinscher dem es hat gelüstet.
Der Frist, dem der Hund gehört,
Dem hatt’ man Rache geschwört.

Und als das liebe Tier,
In seines Hungers Gier,
Den Köder fand aus Ochsenfleisch,
Gab es bald ein großes Gekreisch.
Es befand sich an des Kläffers Rute,
`Ne sprühend-brennende Pulverlunte.
Dann zischte es und der Hund litt sehr,
Seither liebte er den Lenz nicht mehr.

Nun ist es Fritze, der am Zuge,
Trinkt nochmals aus dem Obstlerkruge.
Zielt mit seiner Rampe haargenau,
Dass der alte Lenz gehörig schau.
Kabumm! Die Rakete fliegt auf den Balkon,
Durchschläge mit Gewalt die Scheibe eben schon,
Explodiert im Ruhezimmer,
Wo’s Ehepaar Lenz schläft immer.

Im Nachtgewand, starr vor Schreck ist Herr Lenz,
Die Frau verliert das Bewusstsein zur Gänz’.
Dann wurde das Geschehene realisiert,
Am Ende man sich wieder tranquillisiert.
Fritze ist zufrieden, schenkt sich ein,
Und lässt Silvester, Silvester sein.
Nun sind die beiden endlich quitt,
Es gab von nun an nie mehr Stritt.

Mittwoch, 29. September 2010

Maximen I

Gewissen
Jeder Mensch muss nach seinem Gewissen handelt. Doch bedenke er wohl, wie es entstanden, wer und was es gebildet und wie sehr es sich am Absoluten orientiert. Denn korrupt ist die Welt und der Irrwege sind viele, so dass das reine, vom Schöpfer eingegebene Gewissen von mannigfaltigen Schichten überlagert ist, die nicht vom Höchsten, sondern von der Welt kommen.

Atheismus
Tief im Herzen ist der Atheist ein Mensch, der Gott hasst, der ein hohes Interesse an der Nichtexistenz Gottes hat. Doch das Spiel dieser Menschen geht nicht auf, denn Atheist zu sein ist wie einer, der einen Tipp im Lotto abgibt und eher glaubt zu gewinnen, als zu verlieren. Ein Narr ist einer, der solches denkt.

Wahrheit und Toleranz
Viel spricht man über das Spannungsverhältnis von Wahrheit und Toleranz und nur allzu oft ist der Geist geneigt, um der Verständigung Willen die Wahrheit zu verraten. Doch was ist wichtiger: Die Wahrheit, oder die Gemütlichkeit der Menschen untereinander? Man prüfe sich, damit man hier nicht die falsche Antwort gebe.

Freiheit und Sicherheit
Mancher möchte Freiheit und ist bereit alle Sicherheit dahin zu geben. Ein anderer gibt alle Freiheit her für ein Stückchen einer Sicherheit, die sich meist als bloßer Schein herausstelle. Doch wer das eine für das andere verkauft, ist beides nicht wert.

Gott und Mensch
Das Verhältnis von Gott zum Menschen kann verglichen werden mit jenem einer Dramenfigur zum Autor. Stellen uns folgendes Szenario vor: Woher weiß nun etwas „Faust“, im gleichnamigen Stück von Goethe, dass er eine Schöpfung des Dichterfürsten ist? Auf sich alleine gestellt bliebe der Schöpfer für Faust eine metaphysische Idee, doch durch die Offenbarung im Stück selbst, kann „Faust“ wissen, dass Goethe ihn schuf. So auch bei uns Menschen. Gott hat sich in der Schöpfung selbst offenbart. Es bleibt nur die Frage, ob wir dies glauben oder nicht.

Verstand und Sinne
Es wird oft so gesehen, dass die Welt nur durch den Verstand und die Sinne begriffen werden könne. Doch wer den Menschen als ganzes ernst nimmt, erkennt, dass der Mensch aus mehr besteht. Wer nur seinen Verstand und seine Sinne zur Verfügung hat und daraus sich eine Welt erklären möchte, der bleibt auf dem Holzweg. Das Wahre erweist sich ihm nicht. Doch nur die Demut kann einen Menschen davor bewahren die Materie für ein Ganzes zu halten.

Absolute Wahrheit
Es sei arrogant von absoluter Wahrheit zu sprechen und zu proklamieren man hätte sie erkannt. Doch greift dies zu kurz. Wer solches behauptet, stellt selbst eine absolute Wahrheitsbehauptung auf und wirft dem anderen vor, was er selbst gerade dabei ist zu tun. Wer absolute Wahrheit behauptet und damit Recht hat, der ist nicht arrogant, sondern macht lediglich eine Aussage über ein Faktum. Wer behauptet 2 und 2 sei 4 ist nicht arrogant, selbst, wenn keiner ihm zustimmen mag.

Einheitliche Erkenntnis
Wir sind noch nicht so weit, doch mag er Mensch vielleicht doch zu einem einheitlichen Erkenntnisakt gelangen, indem sich Denken, Fühlen und Wollen vereinen und die Welt sehen, wie sie ist, wo Herz, Hirn und Seele gemeinsam arbeiten und nicht sich wie unversöhnliche Feinde gegenüber treten.

Die entscheidende Frage
Was gibt es Wichtigeres, als die Frage nach dem Jenseits? Ein Narr, wer sein Suchen nur auf das Hier und Jetzt dieses kurzen Lebens richtet. Man lebt nur kurz, doch tot ist man länger. Wer möchte da nicht Vorsorge leisten in heißem Bemühen um das Ewige. Der Unverständige mag nur das Diesseits beachten, doch wer Weise ist, hat diese Schwelle schon lange hinter sich gelassen. (Freilich darf man nicht in ins andere Extrem verfallen und das hier und Jetzt außer Acht lassen!).

Stabilität im Leben
Manch einer glaubt das Geld sichere ihm das Leben. Doch wie es kommt, so vergeht es auch und keiner ist gefeit vor dem Verlust all seiner Habe. Ein andere glaubt Macht und soziale Verbindungen zu haben, die ihn vor Übel bewahren sollen. Doch auch hier versagt in der Not doch das vermeintliche Sicherheitsnetz. Ein anderer glaubt sich in einem sicheren Staat, der doch für ihn sorgen wird. Doch verfällt ein jeder Staat mit der Zeit und kein System vermag einem dauerhafte Sicherheit zu verschaffen. Dann gibt es noch den einen, der glaubt sein Wissen sichere ihm ein Auskommen. Was auch geschähe, er wisse schon sich zu helfen. Doch auch hier zeigt die Erfahrung, dass das Wissen versagt in Anbetracht der Stürme des Lebens und der Gebildete gerade so dumm ist, wie derjenige ohne Wissen. Endlich findet sich noch derjenige, der glaubt die Religion sichere ihm sein Leben, er ginge ja in die Kirche, höre Gottes Wort und sei so gerettet. Doch auch ihm muss gesagt werden „Freundchen nicht so schnell. Auch das vermag dir nicht als stabile Basis dienen. Denn was vermag ein von Menschen geschaffenes System?“ Am Ende gibt es nur ein einziges Fundament, das trägt und durch nichts Irdisches ins Wanken gebracht werden kann und das ist der wahre Glauben, der Glaube an den Heiland, der für uns am Kreuz gestorben ist, auf dass jeder, der an ihn glaubt nicht verloren gehe, sondern, das ewige Leben habe.

Dienstag, 31. August 2010

Gedichte VI.

Schöpferkraft

Ich gedachte dir mit Gewalt beizukommen,
Wollte dich in Bande schlagen.
Und vermeinte so dich tunlichst zu bewegen!
Doch hast du so niemals `nen Fels erklommen,
Noch dich in neues zu wagen
Getraut. So bliebst du fern den fruchtbaren Wegen.

Trieb ich dich unbarmherzig durch alle Welt
Und legte dir der Zeit strenges Korsett an,
So musst’ ich darben und alles schien einerlei.
An langer Leine ließ ich dich für viel Geld,
Auf dass treffend’ Worte brechen sich die Bahn.
Nun seh’ ich. Das Werk gelingt nur, wenn du bist frei!


Glauben und Unglauben

Wer hat denn je Gott geliebt, der seines Leibes Vater hasst?
Der Vater, der mangelhaft, von zweifelhaftem Charakter ist,
Hat allzu oft als Sohn einen, der bekennt sich als Atheist.
So hat dieser des Widerwillens volles Maß ausgefasst.
Und fragt einer noch wieso und warum,
Der sei nun nicht mehr unverständig dumm.
Glauben oder Unglauben sind wie zwei Geschwister,
Die sich oft den Tod anwünschen, wie wilde Biester.
Der Ursprung liegt in derselben Quelle,
Beide schwimmen auf der starken Welle
Der Seelennot, sie erzwingt die Geistesposition,
Ob pro oder contra, das richtet sich daraus schon.


Was sagte man im Sachsenland?

Was sagte man im Sachsenland,
Als August Herzog sich edel fand?
In Polen als König er ward gekrönt,
Und von den seinen beschenkt und verwöhnt.

Der August, der August,
Der macht sich manche Lust,
Hat fast dreihundert Kinderlein,
Die leben im Königreich fein.

Auf Dresdens prächtig’ Straßen,
Die gingen und die saßen,
Und tranken aus Meißnerporzellan,
Die dachte alle nur daran:

Der August, der August,
Der macht sich manche Lust,
Hat fast dreihundert Kinderlein,
Die leben im Königreich fein.

Hoch soll er leben, der gute Herzog,
Der stets gerne durch seine Lande zog.
Verschaff’ uns was von deinem Glücke,
Damit auch ich mich hier entzücke!


Angst und Gier

Die Begierde treibt’s nach oben,
Die Angst stürzt es in den Abgrund hinab.
Des Charismas Ruf sie loben,
Doch führt er alleine ins finstere Grab.
Fern von beidem allein, kann das Werk gelingen,
Es hilft hier nur, was mag aus dem Inn’ren dringen.


Klares Wasser

Immerzu sah ich ihn wabbeln,
Mit allen Zweifeln anbandeln.
Treibt es wild und macht das Wasser trüb,
Schlug noch so manchen heftigen Hieb.
Dann als der Spiegel konnt’ nichts mehr reflektieren,
Musste doch was anderes ich ausprobieren.

Ich trat ans glitschig’ Ufer heran,
Biss heftig auf meinen starken Zahn.
Ließ vorbeigehen den Strom ohn’ mich darin zu verlieren,
Konnte noch so heftig toben und mir ins Antlitz stieren.
Dann endlich war es vorbei,
Ruhe allein, nur das sei!


Projektion

Du siehst sogleich, was dir missfällt in der Welt,
Beim Nachbarn lässt du nur wenig sein.
Man schaut, wie der andere mach sein liebes Geld.
Und hält sich selbst für moralisch rein.
Junge, was du siehst, da mit deinen Augen,
Zeigt nur deine eignen verfaulten Trauben.


Streben

Ergeben allem hohen Streben,
Muss ich gestehen, konnte es nicht sein.
Am Schicksal soll man munter weben,
Sei das Gewebe nur möglichst rein.
Am Ende sieht man erst, was man hat erschaffen,
Die Nachwelt hat dann genüsslich was zu gaffen.


Russische Dichtung

Tolstoj oder Dostojewskij,
Gogol oder doch der Puschikin.
Das Zeitalter, das ist längst vorbei,
Und Russland scheint es auch einerlei.
So steht es den Menschen heut im Sinn,
Trinke Wodka nur, nicht Whiskey.



Nasser Sommer

Ist der Sommer nicht sehr sonnig,
Fühlt der Geist sich nicht so wonnig.
Regnet’s dann grauselig im August,
Vergeht uns die Unternehmungslust.
Hoffe auf den schönen Herbst allein,
Der kann auch noch recht erbaulich sein.


Schuldkindliches Lernen

Das Kind es lernt das rechte schöne Schreiben,
Das Lesen und auch die Mathematik.
Doch wo bleibt dabei die Kritik?
Was gar gegen die Politik?
Sollte es lernen nicht auch die Skeptik?
Denn vieles, was gelehrt, ist kaum zu leiden.

Belohnt wird, was brav und sittsam sich gebärdet,
Auch wenn es einst sein eigen Wohl damit gefährdet.
Wissenschaftlich Methodik, freies Denken,
Ferne von der Autorität und alten Tradition,
Ohne Politik, Philosophie und Religion.
Das sollte uns einmal Erfüllung schenken.

Und denkt man, ich hätte zu allem zweierlei Position,
Erhielte aus allerlei sprudelnden Quellen meinen Lohn,
So kann ich darauf nur munter erwidern,
Nichts wird je gut vom leidlich Anbiedern.
Die Vernunft, nicht der Verstand hilft uns hinweg,
Über jahrhundertealten zähen Dreck!

Schieb hinfort, was angehäuft und ungeprüft gut geheißen,
Was Generationen von der Welt mochte wegzureißen.
Schau nur hin und traue deinen Sinnen,
Die Zeit mag zwar allzu schnell verrinnen,
Doch schärfst du deinen eignen Geist allein,
Kannst du ein wahrlich frei von allem sein!

Freitag, 13. August 2010

Jagdunfall

Einst regierte ein König, den man „den Guten“ hieß,
Nicht weil er die Gerechtigkeit gerne walten ließ,
Nein; Da er der Kirche war sehr zugetan,
Und stets auf des Reiches Wohle kräftig sann,
So hat er im Irdschen ein günstig’ Netz gewoben
Und erwarb dazu noch viel Segen von oben.

Dieser Frankenkönig, der war Dagobert,
Der fand’s eines Tages der Mühe wert,
Übern Bodensee an den Alpenrhein zu reisen,
Zur Inspektion, um, wenn nötig, zurechtzuweisen.
Denn gab man den Dienstleuten auch die örtlich’ Verwaltung,
So tut Not doch die Aufsicht mit Blick auf die Entfaltung.

Dagobert dacht’ sich es wär’ ein guter Plan,
Wenn Sigisbert, sein Sohn, auch Mal zeigen kann,
Dass er einst wird regieren gut das Erbe,
Und das Land er schützt und es nicht verderbe.
So begleitet der Jüngling seinen Vater,
Mitsamt Gefolgschaft und persönlich’ Berater.

Was Dagobert am Rheine sieht,
Das erfreut sein innig’ Gemüt.
Brav und tüchtig ist das Volk hier,
Des Reiches gar prächtigste Zier.
So beschließt der König noch zu bleiben,
Mit der Jagd sich die Zeit zu vertreiben.

Auch Sigisbert soll sich reichlich ergetzen,
Und so manchen Eber tödlich verletzen.
In wilder Jagdlaune verfolgt er toll das Borstenvieh,
Durchs Unterholz, er wähnt es entkäme ihm nie!
Doch es tritt ein das große Unglück bald,
Dass der Prinz findet sich in dichtem Wald.

Und das Ross, es scheut vor der wilden Sau empor,
Wirft ab den Reiter, läuft wohin es war zuvor.
Der Prinz hängt am Lederriemen, der Kopf auf der Erd,
Über Stock und Stein schleift ihn das erschrockene Pferd.
Als man fand ihn nach jener Tortur,
Ist vom Leben in ihm keine Spur.

In tiefster Trauer um sein geliebtes Kind,
Eilt Dagobert zu einem Klausner geschwind,
Welcher gilt als heiliger Mann,
Und manch’ Wunder vollbringen kann.
Dieser, Arbogast, kommt und sieht den Toten,
Zu Leben war dem Prinzen nun geboten.

Und siehe da, es ward vollbracht,
Der Prinz blinzelt, steht auf ganz sacht.
Wie war des Vaters Dankbarkeit da übergroß?
Der Frankenkönig faltet die Hände im Schoß.
Bedacht wurde zu Rankweil ein lieb’ Kirchelein,
St. Peter, welches steht bis heute darein.


Sonntag, 25. Juli 2010

Gedichte V

Der dein nicht achtet

Wild schäumende, sturmgepeitschte Weltenmeere,
Sengende Sonnenstrahlen, Gewitterheere.
Bebende Erde und springende Flut,
Lavabäche, Titanenübermut,
Erträgt mein Gemüt mit stoischer Miene,
Trotz’ den Gewalten, niemandem ich diene!

Musst mir schon lassen meinen eignen Willen,
Selbst lässt du mir den Schmerz aus der Seele mir quillen.
Verbiete nur, ich werde deinen Ruf nicht erhören!
Kannst mich weder bedrohen, noch mich lockend beschwören!
Gern sähest du mich verneinen meine Emotion,
Für dich wäre es ein heiß begehrter Arbeitslohn.

Doch ich will spüren, was lebendig wirkt durch mich,
Was den Neid und die Furcht jagt dir ins Angesich’!
Schau! Noch ist das Leben nicht erstorben!
Unter Mühsal hab’ ich es erworben.
Was mir gegeben vom Schöpfer von Anbeginn,
In deiner groben Hand welkte es schnelle dahin.

Nur leben will ich, und leben das werde ich!
Erkenne nur was wahr, und bedaure dich.
Am Lebendigen und an dessen Förderung allein,
Will seine Bestimmung vollenden, mein ewiges Sein!
Schaff’ Prometheus gleich, was Wunderlich,
Und dein nicht achtet! Genau wie ich.


Erfüllung

Nach Freiheit strebt die menschlich’ Natur.
Oft nach erbittertem Kampfe nur,
Erwarb sich mancher sie und sprach zufrieden gerecht:
`Allein wer stets um dich kämpft, dem gebührst du zurecht!´
Freiheit haben ist klug,
Doch ist sie nicht genug.

Erfolg im Leben zählt für die meisten sehr,
Gar manchem ist er das einzige Begehr.
Reichtum, Ansehen, kurz der Glanz dieser Welt,
Nur wer zu bescheiden, dem dies nicht gefällt.
Erfolg er mit sich trug,
Doch ist er nicht genug.

Für `nen andren ist des Wunsches größtes Stück,
Was sich vereint in dem Wonneworte Glück.
Das Herz es hüpft, macht frohe Sprünge, juhe!
Die Seele ruht harmonisch, fern ist alles Weh.
Glück hab’ mit Recht und Fug,
Doch ist es nicht genug.

Die Dame Freiheit, der Herr Erfolg und die Sache Glück,
Im Dreierbund vereint, da erst ich mich wahrlich entzück`!
Wer eins hat, der ist vorangekommen schon,
Wer zwei vereint, steht einen Schritt vor dem Thron.
Doch erst wer das Trio sieht um sich unverhüllt,
Dessen Leben ist vollkommen, ist reich erfüllt!


Der Schein des Vertrauens

Manch einer echauffiert sich gar fürchterlich,
Wird sein Vertrauen missbrauch gar bitterlich.
Die moralische Entrüstung wirkt bald riesengroß.
So arg traf ihn mitnichten des Missetäters Stoß?
Es braucht viel Schauspiel, viel Trara und Show,
Wo nichts brennen kann, als ein wenig Stroh.
Schwer ist’s zu enttäuschen, wer uns wahrhaft vertraut.
Das Spiegelbild wird dann mit Schaudern nur geschaut.
Doch wer misstrauet uns von Anfang an,
Der hat nur `nen Anscheinsschaden daran.


Die Schöpfung

Am Anfang war das unaussprechlich’ Nichts.
Dann wurden Raum und Zeit geschaffen,
Sterne und Planeten durchkreisten bald das All.
Auf einem trat ein der gar wunderbare Fall,
Leben erschien, mit spärlich Waffen,
Im Angesicht des jungen Sonnenlichts.

Fruchtbar zeigte sich der Erdenball,
Grün mit Pflanzen bedeckt war seine lebendige Haut,
Und auch mit allerlei fruchtbar Getier ward sie angefüllt.
Das Lebendige aus jeder Ritze kam hervorgequillt.
Doch noch fehlte die Herrschaft, die nach allem trefflich schaut.
So trat ein, der notwendige Fall.

Die Krone der Schöpfung trat auf den Plan,
Der Mensch als guter Verwalter sowie Regent erschien.
Dies ist die Wahrheit von alters her.
Wer mit einem Auge nur besieht es, der tut sich schwer,
Doch in des eig’nen Wesens Tiefe, steckt’s bei jedem drin,
Dass die Gottheit allein baute daran!


Glaube und Wissenschaft

Der erste Schluck aus dem Kelch der Wissenschaft,
Schmeckt süß und gibt dem eigenen Ansehen Kraft.
So klug erscheint man sich selbst, braucht keinen Glauben mehr,
Bedauert die arme, naive Menschheit gar sehr.
Doch geht man tiefer in seinem werten Bestreben,
Und will an seinem Geisteswerke innig weben,
Dann wird’s um die stolze Gewissheit immer trüber,
Dahin ist das Gefühl, man sei der Welt nun über.
Mancher mag dabei verzweifeln, spürt den kalten Schweiß,
Macht die Einsicht sich breit, dass man im Grund nichts weiß!
Am Ende in der Tiefe aller Dinge scheint ein kleines Licht.
Geistig’ Natur erweist sich, bist nicht auf Versuchung du erpicht.
Es strahlt bald in nie gekannter Helle,
Reißt nieder alle Gedankenwälle,
Und offenbart sich wunderbar dem demütigen Auge allein:
Das seine Majestät schuf das ganze, Ehrfurcht gebietende Allsein!


Sprache

`Im Anfang war das Wort!´
So steht es wohl geschrieben;
Die Menschheit liest es dort,
Wo kluger Geist von der Gottheit angeregt,
Die Feder auf Pergament hat angelegt.
Es folgt die magisch’ Sieben.

Ein Schritt dem Schöpfer entgegen,
Tat irdisch Geschlecht verwegen,
Als einst die ersten wohlgeformten Klänge,
Der Kehle entsprangen, die zart’ Anfänge.


Alles nur Windhauch

Nur Windhauch, es ist nur Windhauch,
Nebelschwaden im Herbstwald,
Nacht und Wind,
Ritt auf klapprigem Gaul.
Ihr naht euch erbärmliche Lemuren,
Blitzender Stahl aus dem, was ich nicht sah,
Dahingegangen sind der Erscheinungen viele.
Nur Windhauch, es ist nur Windhauch.


Wecker

Wie hat mich doch in allzu früher Morgenstund`,
Geweckt die Stimme aus des Radiosprechers Mund?
War so ungeschickt ihn auf sechse einzustellen,
Die üble Nachricht konnt’ mir gleich den Tag vergellen.
Was als erstes nach dem nächtlichen Schlummer,
Bewusstsein trifft, verschafft nicht selten Kummer,
Den der Tag nicht vertreiben kann,
Drum denke ich nun stets daran:
`Nie stell den Wecker auf die volle Stunde,
So ersparst du dir manch’ unnütze Wunde!`


Herbstmorgen

Nichts Besseres weiß ich mir an klaren Herbsttagen,
Als in die Natur hinaus mich munter zu wagen.
Die kühle, würzige Luft, die kristallklare Sicht,
Begrüß’ am Gipfel bereits das liebe Morgenlicht.
Den Berg erstieg ich noch im Dämmerweben,
Entlang den erntereifen Rieslingsreben.
Dem Himmel dann nah zu sein,
Ist mein Begehr’ ganz allein.


Kindermund

`Ich hasse dich!´, das kleine Mädchen wütend spricht,
`Ich hab dich lieb!´, der Onkel spricht ihm ins Gesicht.
`Ich hasse dich!´, tönt die Kleine aufs Neue.
`Ich hab dich lieb!´, sagt er erneut ohn’ Reue.
`Ich hasse dich!´, kommt es von ihr jetzt noch einmal.
`Ich hab dich lieb!´, ist erneut seiner Worte Wahl.
`Ich lieb dich ja auch´, drückt sie sich an ihn lange,
Der streichelt ihr über Haar und rosa Wange.
Lasse dem Kind all seine Gefühle,
Das heiße ebenso als wie das kühle!


Katzenlektion

Die Katze genügt sich selbst allein,
Braucht kein Locken, keinen schönen Schein.
Sie schläft, sie frisst und gehorchet nur ihrem Willen,
Mag sie auf die Welt beizeiten gemächlich schielen.
So thront sie gern, ihre pelzige Majestät,
Die nichts von wilder Hektik und Trubel verrät.
Mit Neid blickt der Mensch auf’s edle Tier,
Spürt, was ihm selber fehlt, was nicht mehr hier.
Bei ihm ist doch alles nur kulturell Dressur,
Sein Wesen verlor er in der Erziehungskur.
Mancher erträgt keine Katze gern,
Und hält sie von sich selber ja fern.
Doch was kann das gute schöne Tier dafür,
Dass die Seele liegt hinter eherner Tür?
Grad vom Stubentiger kann man lernen,
Was wir erahnen nur aus der Fernen!

Samstag, 24. Juli 2010

Wisse nicht was vorgefallen...

Voll Unschuld erblicken seine Augen das Licht der Welt,
Wie einst Adam und Eva auszukosten das lustvoll erfüllende Sein.
Die Sonne ist begierig ihm ihre warmen Strahlen zu schenken
Und alles Lebende harrt erwartungsvoll seiner Ankunft.
Ihm zu bereiten ein Laken aus duftenden Blüten,
Und alles Getier gar lieblich sein Bettchen zu behüten.
Von Gott der Welt als Juwel anvertraut,
Als Prinz alle an seinem Wesen zu erfreuen, dass war seine Natur

Doch kaum er entschlüpft dem Mutterschoß,
Da senkte sich eine dunkel Wolke drohend über ihn,
Von Vater und Mutter wohlmeinend herbeigerufen,
Und der Menschheit Sanktion gewiss! Sie tun ihre Pflicht.
Damit der neue Erdenbürger nicht etwa gefährde der Ureltern Tradition,
Traf man Anstalten sich wohl zu versichern.
Es bricht kaum einer, was seit vorsintflutlichen Zeiten,
Für gut und richtig befunden.

Als Abraham den Isaak legte auf den Opferaltar,
War sie schon voll in ihrer Gestalt
Und führte Legionen gegen einander und hinab ins kalte Grab,
Brachte Leid und Krankheit über Mann und Frau,
Stieß in den Abgrund Generation auf Generation.
Im Namen der Autorität, in Namen der Nation!
Für Kaiser und Führer lebte man alleine und gehorchte.
Krieg und Hunger, Krankheit und Tod nimmt man auf sich.

Und fragst du noch, woher das Böse kommt?
Warum der Mensch nicht lassen kann das Schaden?
Fällt nur ein dir, es müsse an seinem Wesen liegen.
Drum besser ist es das junge Leben schon zu Recht zu biegen.
Auf dass was Anständiges draus werde.
Eine Ohrfeige schade nicht, heißt es nur allzu oft,
`Sieh mich an! Ich wurde doch auch ganz Recht?
Und rot war oft davon meiner Eltern Hand.´

Grad das tut dem Menschen am meisten Leid,
Dass den Eltern man bereitet hat durch Lebendigsein Ungemach!
Man durfte nicht fühlen, man durfte nicht denken,
Misstraute lieber sich selbst, als den anderen und der Welt.
Den Alten trug man nichts nach.
Es geschah ja doch nur zum eigenen Wohl.
Vater und Mutter haben immer Recht,
Das Kind doch nur mit Vorbehalt, wenn nicht nie!

Unterdrücktes Gefühl gebiert die Perversion,
Hüllt die Welt in Verwirrung ein.
Wer spürt nicht das Chaos, den Stress, die Drückerei?
Und spricht von den Zeiten, in denen man eben lebe?
Da kann der einzelne ja nichts bewirken.
Such dir, was akzeptabel ist vor den Augen der anderen,
Erblicke, was in dir selbst ist, in der Welt da draußen
Und freu' dich, wenn du einen Sündenbock hast gefunden!

So lässt der Druck zeitweilig eben nach,
Doch wage nicht zu tief zu schauen!
Und enthalte dich der Fragen!
Was mit dir geschah, das sollst du niemals wissen!
Der Eltern Herz würde dabei zerbrechen.
Sie haben es ja nur gut gemeint.
Und alle Welt versteht es und applaudiert,
Allein ist das Kind, es ist ja nur dressiert.

Was lebendig, was spontan, was rein,
Das darf auf dieser Welt nicht sein!
Saufe, rauche, habe auch eine Menge Sex,
Spiele um Geld und auch um Menschen,
Im Dschungel ist das wohl erlaubt,
So auch in der Welt, welche jenem gleich.
Nur eines, untersteh dich zu tun,
Erkenne den Menschen nicht als Wesen an!

Treibe viel Kommunikation, leiste Großes,
Hole dir der Welt Bewunderung!
Leide im Stillen, schluck bittere Pillen,
Verzehr dich selbst!
Dagegen kann die Medizin was tun.
Lass dich therapieren und suche überall,
Nur nicht dort, wo du fündig werden kannst!
Dieser Ort wurde als Säugling bereits verschlossen und versiegelt.

Als Objekt sei dir alles lieb, ganz besonders der Mensch,
Strebe nach der Güter Vermehrung und zähle ihre Zahl!
Erwirb dir Titel und Ehren,
Erschaffe, wofür der Mensch spendet gerne Applaus!
Halte hoch das Haben,
Aber Unterdrücke alles wahre Sein!
Rede viel von schönen Gefühlen und schmeichle honigsüß,
Doch die echte Liebe, sei dir ferne!

Richte das Leben aus, nachdem, was später kommen mag,
Schau wehmütig auf die verklärte Vergangenheit!
Doch lebe nie im Hier und Jetzt!
Such nach allem, nur nicht nach dir selbst!
Unerträglich ist der kranken Menschheit echtes Menschenwesen.
Nie sollst du sehen dein wahres Sein!
Vergiss nicht, dass du bereits gestorben bist,
Noch ehe, dass der erste zarte Laut deinem Kehlchen entsprang!